Willkommen
Agentur v
schreiben
tun
sehen
hören
Schnittstellen
Referenzen
Kontakte

schreiben
verstehen
sehen
hören
Schnittstellen
Referenzen
Kontakte

Interview

Mit Wilfried Kresiment (Lichtdesigner)

erschienen bei pma:

Licht ist nicht Beleuchtung
Er war an den bekanntesten Musicalproduktionen der letzten 10 Jahre maßgeblich beteiligt, hat auf der Expo 2000 für ein Highlight gesorgt und mit den großen Namen im modernen deutschen Tanztheater zusammengearbeitet. Pma hat Lichtdesigner Wilfried Kresiment in Hamburg getroffen und erfahren, warum Licht viel mehr ist als nur Beleuchtung.

pma:   Wilfried, du warst gerade in den Staaten. Was hast Du da gemacht?

Kresiment: Ich habe auf dem Detroiter Autosalon einen Stand mitgestaltet. Die Leute aus der Industrie kommen nämlich auch langsam dahinter, dass man einen solchen Auftritt richtig inszenieren muss.

pma: Was reizt dich außer dem Geld daran, für die Industrie zu arbeiten? Du machst ja eigentlich Theater und Musicals.

Kresiment: Ich will die Professionalität des Lichtdesigns im Theater auch dort einbringen. Das ist manchmal nicht ganz einfach. Letzthin haben mich die Verantwortlichen zum Beispiel gefragt, ob ich nicht die Musik mitbringen könnte. Das ist dann sehr merkwürdig. Es ist oft schwer, Leuten zu erklären, was meine eigentliche Aufgabe ist.

pma: Versuchen wir es doch mal. Wie gehst du an ein Theaterprojekt heran?

Kresiment: Bevor ich mich mit den Vorstellungen des Regisseurs beschäftige, lese ich erst zwei bis drei Mal das Stück, um mir eine eigene Vorstellung zu machen. Dabei ist es wichtig, einen persönlichen Rhythmus und eine Gliederung zu finden. Anschließend treffe ich mich mit dem Regisseur und dem Bühnenbildner. Dabei geht es dann um die Schwerpunkte der Inszenierung, den historischen Rahmen und die Aussage. Im besten Fall kommt man auf einen gemeinsamen Nenner. Nach dieser ersten Koordination mache ich mich ans Skript. Ich ordne den Szenen Tageszeiten, Stimmungen und Orte zu und versuche für mich, Attribute zuzuordnen.

pma: Was meinst Du mit Attributen?

Kresiment: Um mir eine möglichst lange eine große Offenheit zu bewahren, sage ich nicht gleich, wo es lang gehen soll. Deshalb mache ich den Umweg über Attribute. Das können Wörter sein wie traurig oder ausgeflippt. Diese Begriffe nehme ich und suche damit nach Bildern in Illustrierten und Filmen. Das ist meine Art der Rückkopplung mit der Welt um mich herum. So vermeide ich es, zu akademisch an die Sache heran zu gehen.

pma: Wie geht es dann weiter?

Kresiment: Jetzt erst kommt die Technik ins Spiel. Ich nehme mir die einzelnen Szenen vor und erarbeite mir an Hand der Zeichnungen des Bühnenbildners den Hängeplan. Das Ganze wird ständig mit dem Regisseur abgestimmt und schließlich umgesetzt.

pma: Hast Du oft Probleme oder Konflikte mit den Regisseuren.

Kresiment: Ach, das ist wie im richtigen Leben. Es gibt solche und solche.

pma: Heute bist du selbstständig und arbeitest Projekt bezogen. Wie hat deine Karriere denn begonnen?

Kresiment: Anfang der 80er Jahre habe ich in Münster Philosophie und Sport studiert. Am heutigen Wolfgang Borchert Theater hatte ich dann die Möglichkeit, bei Ton und Licht mitzuarbeiten. Das war ein tolles, junges Team damals. Wie es an kleinen Theatern üblich ist, hat jeder alles gemacht. So bekommt man Einblicke in die Arbeit des Regisseurs, der Schauspieler und in alle technischen Bereiche. Das nutzt mir heute noch.

pma: Irgendwann wurde es aber professioneller.

Kresiment: Klar! Erst kamen kleinere Engagements in Hannover und Münster, bis ich dann die Chance hatte, beim Hamburger Kampnagel Festival zu arbeiten. Mitte der 80er Jahre war das ja ein weltweit bedeutendes Festival im Bereich Tanztheater.

pma: Das sollte deine weiter Entwicklung maßgeblich beeinflussen.

Kresiment: Ja, bis heute schlägt mein Herz für das moderne Tanztheater. Ab 1988 habe ich fünf Jahre für die Susanne Linke Company und die Folkwang Tanzstudios aus Essen das Lichtdesign und die technische Produktion gemacht. Wir waren weltweit auf Tournee. Susanne hat darauf bestanden, dass ich bei jeder Aufführung dabei bin. Sie hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wie das Licht den Raum bestimmt. Und so musste ich bei jedem Auftritt das Licht der jeweiligen Bühne anpassen. Tänzer reagieren viel sensibler auf Veränderungen der Platzverhältnisse als Schauspieler. Ich habe versucht, ihnen durch das Lichtdesign die nötige Sicherheit zu geben.

pma: Deine Erfahrungen im Tanztheater waren sicher auch für dein Engagement bei Stella wichtig.

Kresiment: Das war natürlich sehr hilfreich. Von 1995 an war ich fünf Jahre lang Abteilungsleiter Beleuchtung in der Hamburger Stella Zentrale. In dieser Zeit habe ich alle großen Produktionen begleitet: Les Miserable und Joseph zum Beispiel.

pma: Das Licht bei Les Miserable und Cats wurde im Original von David Hersey gestaltet. Hat seine Arbeit großen Einfluss auf dich?

Kresiment: Ich habe nicht viel Vorbilder, aber er ist eines. Er hat als Erster so etwas wie eine europäische Tradition ins Musical eingeführt.

pma: Im Gegensatz zu den Amerikanern?

Kresiment: Ja, die Amerikaner setzen auf die pure Ästhetik. Das ist oft sehr beliebig und standardisiert. Hersey dagegen versucht, eine Lichtaussage zu schaffen und das Licht stärker mit dem Inhalt zu verknüpfen. Die Übergänge von Schauspiel und Gesang wurden auch dank seiner Vorstellungen fließend.

pma: Das wird auch bei deiner letzten großen Musicalproduktion Mamma Mia deutlich.

Kresiment: Damit bin ich sehr zufrieden. Die Elemente des Bühnenbilds bleiben während des gesamten Stücks gleich. Die meisten Stimmungs- und Szenenwechsel werden vom Licht bestimmt.

pma: Bei der Expo in Hannover hast du gemeinsam mit dem Künstler James Turrell den Pavillon von Bertelsmann beleuchtet.

Kresiment: Ich mag das Wort Beleuchtung für meine Arbeit nicht. Von James Turrell kann man lernen, dass Licht kein bloßes Werkzeug der Beleuchtung ist, sondern ein Element des Raums. Es geht sehr stark um die Beschäftigung mit der eigenen Wahrnehmung. Ich will Gefühle vermitteln und nicht erzeugen.

pma: Oft werden künstlerische Entwicklungen von Neuerungen im technischen Bereich ermöglicht. Was ist für dich die wichtigste Erfindung der letzten dreißig Jahre?

Kresiment: Sehr wichtig war die Etablierung der Moving Lights im Theater seit Anfang der 90er Jahre. Der Zuwachs an Flexibilität war enorm. Um 1980 herum hatte die Firma Vari Lite die erste funktionierende Lösung gebaut. Die Sache war übrigens von Genesis vorfinanziert. Als die die neuen Möglichkeiten erstmals bei einem Konzert in Barcelona vorstellten, erzeugte das eine enorme Begeisterung.

pma: Was hältst du von Projektionen auf der Bühne?

Kresiment: Der große Video-Hype ist vorbei. Das Problem damit ist ja, dass die Zuschauer nur noch auf die Projektion starren und die Schauspieler zur Bühnendekoration werden. Faszinierend ist dabei der Unterschied von Dia und Video. Ein Videostandbild nimmt die ganze Aufmerksamkeit des Publikums gefangen, ein Dia nicht. Wir scheinen alle auf die Wahrnehmung von Pixelbildern fixiert. Das ist schon eine regelrechte und massenhafte Konditionierung. Ich finde Projektionen eigentlich nur dann sinnvoll, wenn etwas Dokumentarisches transportiert werden soll.

pma: Wie siehst du die Entwicklung der Bühnenästhetik der letzten Jahrzehnte?

Kresiment: Es gibt da wie so oft eine Wellenbewegung. In den 80er Jahren war vieles von einer sehr glatten Ästhetik geprägt. Raum wurde stark über Farbe und Tiefe definiert. Ab den 90ern wurde wieder mehr auf Realismen gesetzt. Christoph Martaler ist ein schönes Beispiel dafür. Heute gibt es eine erneute Hinwendung zum Künstlerischen, wie in den Arbeiten von Frank Castorf.

pma: Jugendkultur ist heute sehr stark von Retro-Elementen beeinflusst. Hat das auch Auswirkungen auf das Theater?

Kresiment: Es gab vor ein paar Jahren einen Trend zu Trash-Ästhetik. Da tauchten auch viele Sachen aus den 60er und 70er Jahren auf. Heute findet aber eine Rückkehr zum Schauspielertheater statt. Der Schauspieler ist die Identifikationsfigur auf der Bühne und wird verstärkt in den Mittelpunkt gestellt. Ich befürworte das und mag deshalb auch die Inszenierungen von Peter Zadek sehr gerne.

(...)

Weitere Belege aus den Bereichen Musik, Gesellschaft und Technik auf Anfrage...